Collector’s Room: Wunderkammer

Text von Heechae Moon

 

Der Aufbau vonCollector’s Room: Wunderkammerauf der Leinwand

Die Wunderkammern der Spätrenaissance und des Barock gingen aus den früheren Raritäten oder Kostbarkeiten hervor und stehen für ein Sammlungskonzept aus der Frühphase der Museumsgeschichte. Durch Objekte in ihrer unterschiedlichen Herkunft und Bestimmung wurde Geschmack, Kenntnisse und Verständnisse des Fremden von Sammlern offen gezeigt. Kunst- und Raritätensammler stellten ihre Kenntnisse und Geschmacksvorlieben offen zur Schau, indem sie Objekte unterschiedlicher Herkunft und Bestimmung zu Kollektionen vereinten. Mit ihrer Ausstellung „Collector’s Room“ erschafft Park einen Raum der persönlichen Kunsterfahrung, bei dem es darum geht, sich die Umwelt anzueignen, sie handhabbar zu machen und letztlich die Essenz der Malerei zu erfassen.

Die malerische Wiedergabe und der Spieltrieb

Der Ausgangspunkt, solche Kollektionen zu kreieren, war ein Gefühl der Verwirrung und des Alleinseins in ihrem Alltagsleben in Deutschland. In einem ersten Schritt hat sie die Leinwand damit gefüllt, was sie zu besitzen wünscht. Dafür sucht sie Abbildungen von Gegenständen an verschiedenen Orten – realen sowie virtuellen. Auf diese Weise stellt sie ihre visionären Bildkompositionen zusammen, für deren Ausführung sie stets sehr viel Zeit investiert. Dadurch nimmt „Collector’s Room“ auf ihrer Leinwand Gestalt an. 

Die Rahmung durch Mauern, die auf eine Flucht zulaufen, erzeugt eine starke Raumwirkung. Die malerische Wiedergabe mit abgebildeten Gegenstände ruft aber das visuelle Phantasma nicht hervor. Nach Ernst H. Gombrich beginnt der Prozess der malerischen Wiedergabe nicht mit dem Bildeindruck, sondern mit einem Begriff oder Konzept, durch gedankliche Neigungen oder Gestalten im Kopf von Künstlern. Gespeist von einem intuitiven Verlangen zur Reproduktion entsteht eine Mimesis der Objekte. Als Künstlerin folgt Park in der malerischen Wiedergabe von Objekten auch ihrem Spieltrieb.

Der Prozess der Aneignung durch das langsame Malen

Mit den heutigen schnelltrocknenden Farbstoffen fällt es nicht schwer, eine mächtige Textur und Materialität mit dickem Farbauftrag zu generieren. Weil das Gemälde so vergleichsweise schnell ausgeführt werden kann, kann der Künstler sein Augenmerk auf die Gestaltung der Gegenstände lenken, weil er sich auf den Malvorgang vermeintlich weniger konzentrieren muss. Eine solche Herangehensweise unterscheidet sich diametral von ihrer künstlerischen Arbeit. Sie ist in koreanischer Malerei und insbesondere in der Malerei traditioneller Farbbilder ausgebildet. Ihre Arbeiten entstehen schrittweise: In einem ersten Schritt stellt sie eigene Farbmittel her, indem sie Pigmente, die aus Mineralpulver gemacht wurden, mit Eiemulsionen mischt. Diese trägt sie Schicht für Schicht auf die Leinwand auf. Dieser langsame und zugleich hochkonzentrierte Arbeitsprozess unterscheidet sich grundlegend von der Herangehensweise zahlreicher anderer Künstler.

Aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit koreanischer Farbmittel in Deutschland arbeitet sie hierzulande bevorzugt mit Eitempera. Diese Art zu Malen kostet aufgrund des wiederholten Aufeinanderschichtens von Farbe viel Zeit und kommt einer psychischen Schwerstarbeit gleich. Diesen Aspekt teilt ihre Malerei mit asiatischen Farbbildern. Der Künstler gibt sich dem Malprozess hin und formt durch seine kontinuierliche Mühe die dargestellten Gegenstände bis diese licht und heiter aussehen. Das ist eine Möglichkeit, diese Objekte mental zu durchdringen und diese handhabbar zu machen.

Die Verzerrung der Perspektive: Die Herausforderung der abendländischen Perspektive und die Umdeutung der Raumgestaltung in der fernöstlichen Kunst

Den Ausgangspunkt zu „Collector’s Room“ bilden Räume der Kuriosität, gefüllt mit vielfältigen Gegenständen. Durch die gewählte Raumgestaltung wird scheinbar die Grundperspektive gezeigt. Bei genauerem Hinsehen aber erscheint die Perspektive verzerrt. Die gewohnte Raumillusion wird hintertrieben: Die Objekte passen sich nicht der gewohnten abendländischen Perspektive an, die auf einen Fluchtpunkt hin ausgerichtet eine dreidimensionale Raumillusion auf der zweidimensionalen Leinwand entstehen lässt. 

Obgleich sich die klassizistische fernöstliche Perspektive jede nach Epoche bekanntlich leicht unterscheidet: Die Größe der dargestellten Objekte gibt keinen zuverlässigen Anhaltspunkt dafür, wie nah oder fern sie sind. Meist gibt es aber andere Merkmale – wie etwa die auf einen Fluchtpunkt hin ausgerichtete Umgebung – die einen Hinweis darauf geben, wie weit die Objekte von ihrem Betrachter entfernt zu sein scheinen. Durch das Fehlen eines zuverlässigen Fluchtpunktes, der für alle dargestellten Objekte gleichermaßen gilt, entstehen temporäre Illusionen von Entfernung. Wenn Nah und Fern gleichberechtigt dargestellt wird, verschiebt sich der Fokus des Betrachters auf das Zeitgefühl. Durch diese Art der Darstellung wird der dreidimensionalen Raumillusion eine vierte Dimension hinzugefügt: die Zeit.

Die Arbeiten von Park scheinen auf den ersten Blick der abendländischen Perspektive unterworfen. Die planare Raumgestaltung und der fehlausgerichtete Fluchtpunkt hintertreiben jedoch die Illusion der Dreidimensionalität. Diesen Effekt nutzen beispielsweise auch  Künstler der klassischen asiatischen Malerei ganz bewusst, etwa im Chaekgado, einem Bildgenre der koreanischen Malerei des 18 Jahrhunderts, bei dem Motive wie Bücherregale, Schreibwaren, Antiquitäten, Schrifttafeln und Zimmerpflanzen im Mittelpunkt stehen. Ausgehend von den Studioli in der italienischen Renaissance, griffen chinesische Künstler das Motiv der Räume der Gelehrsamkeit auf. Sie schufen Gemälde, in denen Vasen aus wertvollem Porzellan und Antiquitäten Bücherregale füllen. Über China kam dieses Bildgenre nach Korea, das Chaekgado war geboren. Im späten 18 Jahrhundert war dieses Bildgenre in der Hofmalerei verbreitet und entwickelte sich im 19. Jahrhundert weiter zum Volksbild.

Wenngleich die europäischen Wunderkammern den Ausgangspunkt zur Chaekgado-Malerei bilden, setzte sich die abendländische Perspektive in der asiatischen Malerei nicht durch, vielmehr kamen neue Formen der Raumdarstellung hinzu. Die Art der Raumgestaltung des asiatischen Malstils lenkt den Blick auf die Wahrnehmung von Zeit, indem sie die Illusion eines dreidimensionalen Raums bewusst hintertreibt. Die Künstlerin setzt dies bewusst als gestalterischen Effekt ein, als eine Ausdrucksform der Raumwahrnehmung, die sich auf ein tiefgehendes Studium der asiatischen Malerei gründet.

„Collector’s Room“  gründet insofern auf die Tradition des Chaekgado. Die Wahrnehmung von Zeit und geistigem Besitz – sie ist der Kern von Parks „Collector’s Room“.

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